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Geschichtliches aus Binzen
Nachstehend finden Sie geschichtliche Fakten der Gemeinde Binzen.
"Dreispitz" Modell einer Musterlösung
Geschichte(n) rund ums Rathaus
Können Sie sich vorstellen, dass es Zeiten gab, in denen eine Gemeinde noch ohne Rathaus und weitgehend ohne Verwaltung auskommen konnte? Ganz einfach: Der Bürgermeister, früher Vogt genannt, bewahrte die Akten bei sich zu Hause auf, wie es auch der Rechner und der Ratschreiber mit ihren Utensilien taten. Diese wahrlich "dezentralisierte" Verwaltung bestand in Binzen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, ehe der deutlich angewachsene Schriftverkehr und die Straffung der öffentlichen Dienste, besonders seit der Gründung des Kaiserreiches, nach einer angemessenen Ortsverwaltung verlangten. Mit dem Erwerb des Hauses der Erbengemeinschaft Sulzer am Dorfplatz, heute Schuhhaus Nestle, wollte man 1870 zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Schulhaus und Rathaus sollten dort gemeinsam untergebracht werden. Aufgrund der steigenden Schülerzahl und des Wohnungsbedarfs für die Lehrer musste das Rathaus jedoch nach kurzer Zeit in das bisherige Schulhaus (heute Kirchstraße 2) umziehen, wo man sich mehr schlecht als recht, und keineswegs den Aufgaben entsprechend, einrichtete. Die große Stunde für die Gemeinde kam mit dem Erwerb des Metzelschen Anwesens im Jahre 1907. Mit großer Weitsicht und beachtlichem Mut unternahm die Bürgerschaft das Wagnis, an Stelle dieses Hauses Rathaus und Schule in solider, zweckmäßiger, aber auch repräsentativer Form zu errichten. Zuerst war das Rathaus in dem Gebäude untergebracht, das jetzt die Post und das Blumenstübli beherbergt, darüber befindet sich noch immer der Rathaussaal, der 1984 und 1991 total renoviert und mit geschmackvoller Ausstattung zur guten Stube der Gemeinde geworden ist. Er dient u.a. dem Gesang- und Musikverein sowie dem Frauenchor als Proberaum und gibt den richtigen Rahmen für kleinere Feiern und festliche Anlässe. Mit der Gründung des Verwaltungsverbandes "Vorderes Kandertal" wurde Binzen 1971 nach der kirchlichen und schulischen nun auch zur politischen Mittelpunktgemeinde. Seit 1968 das "Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden" in Kraft getreten war, wurden im Kandertal, aber auch in Weil und Lörrach, eine Reihe von Modellen einer künftigen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene diskutiert. Die Gemeinden Binzen, Eimeldingen, Fischingen, Rümmingen, Schallbach und Wittlingen beschlossen 1971 den freiwilligen Zusammenschluss, um die Selbständigkeit weitgehend zu erhalten. Dies war zum großen Teil ein persönlicher Erfolg für Binzens damaligen Bürgermeister Fritz Schweigler, ohne dessen Einsatz und Zähigkeit der Verband in dieser Form nicht zustande gekommen und damit die Selbständigkeit der Gemeinden mit großer Wahrscheinlichkeit beendet gewesen wäre. Am 21. Oktober desselben Jahres fand in Anwesenheit des damaligen Landrats Wolfgang Bechthold die Gründungsversammlung und wenig später die erste Verbandsversammlung statt. Zum Vorsitzenden wurde auf Vorschlag des Binzener Bürgermeisters Fritz Schweigler der Eimeldinger Amtskollege Robert Götzmann gewählt, Fritz Schweigler wurde Stellvertreter und behielt dieses Amt bis zu seiner Zurruhesetzung 1989. Seit 1994 ist sein Nachfolger, Bürgermeister Ulrich May, Vorsitzender im Verband. Der langjährige Binzener Ratschreiber Hans Wunderlin wurde als Leiter des Hauptamtes zugleich Geschäftsführer des Verbandes, den er in kurzer Zeit organisatorisch und personell effektiv auf seine neuen Aufgaben ausrichtete, so dass die "Badische Zeitung" bereits am 21.06.1972 melden konnte: "Verwaltungsverband Vorderes Kandertal" funktioniert - Abteilungen ideal organisiert und untergebracht. 1973 kam es für kurze Zeit noch einmal zu erheblichen Unruhen in den sechs Verbandsgemeinden, als verschiedene Politikeraussagen vor Ort und im Landtag die Gefahr einer Auflösung der Gemeindeverwaltungsverbände erkennen ließen. Eine breite überparteiliche Protestbewegung formierte sich gegen dieses Vorhaben, das als glatter Wortbruch gegenüber früher gemachten Zusagen gewertet wurde. Ob aufgrund der Proteste oder besserer Einsicht mag dahingestellt bleiben, 1974 zog das Innenministerium mit der "Bekanntmachung über die Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften nach Abschluss der Verwaltungsreform" einen Schlussstrich unter ein teilweise wenig rühmliches Kapitel: Der Verband erhielt zum 1. Januar 1975 seine Bestandsgarantie, die Gemeinden hatten ihre Selbstständigkeit bewahren und so auch ihren Bürgern ein Stück Identität erhalten können. Binzen selbst wurde im Jahre 1996 im “Regionalplan 2000“ zum Kleinzentrum aufgewertet, eine Entscheidung mit erheblicher strukturpolitischer Bedeutung. Als Sitz der Verbandsverwaltung des Vorderen Kandertals hat Binzen besonderen Anteil an der Weiterentwicklung dieser fruchtbaren Gemeinschaft. Mit einem teilweisen Umbau der vom Gemeindeverwaltungsverband genutzten oberen Räume des Binzener Rathauses und einer parallel laufenden vollständigen Renovierung wurden 1995 alle Voraussetzungen für ein effizientes Arbeiten in freundlichen, hellen und die Arbeitsatmosphäre fördernden Räumen geschaffen. Doch damit war der Blick auf das gesamte Rathausareal erst recht geschärft worden. Mit dem Auszug der Feuerwehr in die Rümminger Straße war der Weg frei geworden, einen schon seit längerem bestehenden Plan zu realisieren. In den Jahren 1998 bis 2001 wurden gleich mehrere bedeutsame Verbesserungen der dörflichen Infrastruktur vorgenommen. In den bisherigen Feuerwehrräumen entstand mit der “Rathausstube“ eine Stätte der Begegnung, die den Senioren, den Vereinen und der Jugend zur Verfügung steht und durch die Wiederherstellung des Gewölbekellers wurde ein Schmuckstück geschaffen, das für kulturelle Anlässe ebenso geeignet ist wie für private Veranstaltungen. Durch den parallel erfolgten Einzug eines Blumengeschäftes mit Postagentur und einer Goldschmiedin kam neues Leben in das Ortszentrum. Den letzten Schliff erhält das in der Presse so getaufte “Rathausprojekt“ mit einer bürgerfreundlichen Umstrukturierung der Verwaltungsbereiche. Das Grundbuchamt zieht in die Räume der ehemaligen Post und hat nun endlich die Arbeitsbedingungen, die dieser wichtigen Verbandseinrichtung angemessen sind. Dadurch kann das publikumsintensive Einwohnermeldeamt ebenerdig untergebracht werden und auch die Kasse rückt einen Stock tiefer. Mit den neuen Sprossenfenstern ist der historische Zustand des Gebäudes, das wie kein anderes das Ortsbild prägt, Ende 2001 wieder hergestellt. Damit ist ein bedeutendes Kapitel Dorfentwicklung optisch und funktionell beispielhaft abgeschlossen.
Alti Hex vo Binze
Natürlich glaubt heute kein Mensch mehr an Hexen, Kobolde und dergleichen, es sei denn, er wandert nachts alleine im Wald zwischen Burg Rötteln und Binzen. Dann kann es freilich schon passieren, dass ihm die Geschichte in den Sinn kommt, die seit Jahrhunderten in der Sage von "der alten Hex vo Binze" überliefert wird und die Alt und Jung gleichermaßen in ihren Bann zieht. Hier nun aus der Dorfchronik die erste Version, die auf einen Beitrag in dem Buch "Vom Jura zum Schwarzwald" zurückgeht. "Der Diener Gotthold hatte dem Lieblingshund des Röttler Herrn in Notwehr das Bein zerschmettert. Wutentbrannt ließ der hartherzige Herr den sonst treuen und im Kampfe bewährten Knecht von der Turmzinne in die grausige Tiefe hinabstürzen. Dort fand den Ermordeten sein Weib, das in wahnsinnigem Schmerz furchtbare Rache schwor. Sie verließ die Stätte, an der sie höchstes Glück und tiefsten Schmerz erlebt hatte und bezog eine halbzerfallene Hütte am sogenannten "Hüttenrain", am Luckeweg bei Binzen. Von dort ging ihr unheimlicher Ruf als Hexe aus, wenn sie auf versteckten Wildpfaden in Begleitung des hinkenden Hundes, den sie geheilt hatte, fluchend die Burg umkreiste, oder wenn sie im Dorf Binzen und in der Umgebung für empfangene Wohltaten Krankheiten beschwor, Heil- und Liebestränke brachte. Sie galt als schussfest, und die Pfeile des ergrimmten Burgherrn, dem sie das Wild vergiftete, verfehlten sie. Immer verrohter und ruchloser wurde das Tun des überall gefürchteten Mannes auf der Burg. Nur eine Helle und Milde war ihm in seiner lieblichen Tochter beschieden, die er vergötterte. Sie verstand es durch ihre Gegenwart, die Wildheit ihres Vaters zu zügeln, seine Härte zu den Untergebenen zu mildern, Strafen zu bannen und geschlagene Wunden zu heilen. Schon lange hatte er mit seinem Freunde und Waffengefährten vom Hunoltstein im Elsass das Versprechen ausgetauscht, ihre Kinder einmal zu verbinden, um ihre Freundschaft für alle Zeiten fortzupflanzen. Als Hildegard, zwanzigjährig, die baldige Ankunft des Freiers angekündigt wurde, gereute es den Vater in triebhafter Angst, mit seinem Kleinod würde der letzte schwindende Segen dem Fluche freie Bahn geben. Eines Tages meldete sich ein Fremdling auf der Burg, hoch zu Ross in der Kleidung eines fahrenden Sängers. Sein edles Wesen, sein Hohes Lied um Minne, Mannesmut und Gottes schönste Gaben gewannen bald auch das Vertrauen des harten Mannes, der ihm das Gastrecht anbot, aber auch das Herz und die Liebe der schönen Maid. Das Maß ihres Glücks schien grenzenlos, als ihr der Geliebte kundtat, dass er der längst schon von ihren Vätern für sie Erwählte sei, der unbefangen ihre Liebe gewinnen wollte. Die Stille und Fülle dieser unsagbaren glücklichen Stunde durchbrach ein zornig wilder Ruf: "Verfluchter Abenteurer, hast du dich hier eingeschlichen, um mein edles Kind zu berücken? Fahr hin, du Elender!" Vom Schwerte des Rasenden durchbohrt, fiel der Jüngling. Als die Unglückliche ihrem Vater wehrend in den Arm fallen wollte, stieß er sie beiseite auf einen spitzen Felsvorsprung; ein feines Blutbächlein quoll aus ihren Schläfen und vermischte sich mit dem ihres Geliebten. Sterbend hat sie dem entsetzten Manne eröffnet, dass er den Sohn des Freundes getroffen hätte. Blutige Fehde hatte der Vater des Ermordeten, sein einstiger Freund, dem halb wahnsinnig gewordenen Röttler angekündigt. Wochenlang belagerte er die Burg, ohne sie zu bezwingen. Schon triumphierten Burgherr und Besatzung, als plötzlich, wie aus dem Boden gestampft, der Feind im Burginnern sie zum Kampf herausforderte. Mann gegen Mann, hart ineinander verbissen, bis der Verruchte und Verfluchte von der Klinge seines früheren Waffengefährten getroffen war, wütete der Zweikampf. Höhnisch grinsend trat die Hexe von Binzen vor den Sterbenden. Mit letzter übermenschlicher Kraft zog und zerrte sie den Verhassten zur hohen Mauerzinne und schleuderte ihn mit einem letzten Fluch in den Abgrund. Eine andere Fassung erzählt von der schicksalhaften Verflechtung der Kräuterhexe von Binzen mit dem Leben ihrer wunderschönen Tochter, die ein junger Herr von Rötteln entführt haben soll. Um sich zu rächen, ließ sie der Tochter heimlich einen Gifttrank für den Frevler zukommen. Aber versehentlich trank diese selbst das Gift und starb daran. Voll Rachegedanken verfiel die "Hexe" noch mehr dem dumpfen Hinbrüten und erregte durch ihr wildes Äußeres in der ganzen Umgebung ein Grausen. Als die Franzosen ohne Erfolg das Schloss belagerten und es dann erstürmten, zeigte ihnen die Alte eine schwach bewehrte Burgstelle droben vom Walde her, die dann auch mit den schwersten Geschützen beschossen wurde. Durch die aufgerissene Lücke konnten die Franzosen die Burg einnehmen und die Brandfackeln in die mächtig stolzen Gebäude tragen. Entscheiden Sie sich für eine oder rühren Sie beherzt eine Mischung aus beiden Versionen an: So oder so halten Sie die Geschichte der "Alte Hex vo Binze" am Leben, und das sind wir ihr doch schuldig, oder?
Ortsgeschichte
Aus dem Dunkel der Vergangenheit erscheint Binzen historisch belegt mit einer Urkunde, datiert auf den 17. Juli 767. Eine Kopie aus dem 10. Jahrhundert ist erhalten geblieben und liegt im Staatsarchiv zu Paris. Es geht um einen Kaufvertrag, in dem neben Binzen auch die Nachbarorte Rümmingen, Wollbach, Tumringen, Haltingen und Eimeldingen Erwähnung finden, sowie eine damals noch vorhandene weitere Siedlung auf Binzener Gemarkung: “Eppalinchova”, später: “Im Epliger”. Das Datum dieser ersten urkundlichen Erwähnung fällt historisch in die Zeit der Machtübernahme der Franken über den alemannischen Siedlungsraum. Der besagte Kaufvertrag wurde vor dem Thing (Gericht) in der Königspfalz “Mareleija” (Marlenheim im Unterelsaß) am 17. Juli im 16. Regierungsjahr des Königs Pipin (751 - 768) als “rechtsgültig” zwischen den Vertragspartnern vollzogen. Hier - wie auch in einer Reihe weiterer bedeutsamer Quellen - finden sich für das heutige Binzen die ursprünglichen Namen in immer wieder leicht variierter Schreibweise. Aus “binußhaime” wird in der so genannten “St. Gallener Urkunde” vom 26. Juli 807 “pinuzheim”, daneben auch “pinezheim” und später um die Jahrtausendwende dann “binizheim”. Mit den erstmals im Jahr 1169 auftauchenden Freien Herren von “pinczheim” vollzieht sich allmählich über “binzeheim” hin zu “bintzen” (in dieser Form erstmalig in der “Aargauer Urkunde” von 1465) die Entwicklung zum heutigen Ortsnamen. Die vielfältigen Erwähnungen in noch vorhandenen Urkunden und anderen Quellen verdankt Binzen der Tatsache, dass sich auf seiner Gemarkung Kirchenbesitz verschiedenster Art befand. Vieles gehörte dem Fürstenbischof von Basel, der erster und oberster Lehensherr im Dorf war. Auch die Basler Klöster, St. Alban, die Barfüßer, das Predigerkloster, die Augustiner, die Kartäuser und schließlich der Stift St. Peter waren Eigentümer verschiedener Kleinliegenschaften, aus denen sie Geld und Naturalien bezogen. Zu den frühesten Grundbesitzern in Binzen zählt auch das in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts von den Benediktinerinnen zu Ottmarsheim gegründete Kloster, das seinen Namen nach dem berühmten St. Galler Abt Othmar erhielt. Kein geringerer als Kaiser Heinrich der IV. bestätigte am 1. März 1064 zu Straßburg der Abtei Ottmarsheim Güter, unter denen sich auch solche zu “binizheim” in der Grafschaft Breisgau befanden. Später berichtet jedoch kein Flurname und keine Akte mehr über Art und Umfang dieses Besitzes, obwohl die Äbtissin von Ottmarsheim noch im Jahr 1599 den Zehnten von gewissen Reben in Binzen bezogen haben soll. 1275 traten auch die Burgherren von Rötteln in Binzen auf den Plan. Die Röttler Ansprüche beriefen sich ursprünglich auf Patronatsrechte an der Binzener Kirche und auf die vom Basler Fürstbischof übertragenen Vogtrechte, sowie auf die später erworbenen Besitzrechte von Gütern und Gülten. Mit dem “Letzten von Rötteln”, Walter dem III., der kinderlos 1310 starb, gingen die herrschaftlichen Rechte zu Binzen auf die Grafen von Hachberg-Sausenberg über, die bis ins hohe Mittelalter (1503) ihre Herrschaft ausübten. Von da ab war auch Binzen zur Markgrafschaft Baden gehörig, die aber erst um 1769 die letzten bischöflichen Rechte von Basel erwerben konnte. (s. hierzu das Kapital: “Binzen – ein Teil des Markgräflerlandes“) Leider bleibt ein bedeutsames Kapitel der Binzener Geschichte fast vollständig im Dunkeln. An die frühere Burg oder das Schloss am Ufer der Kander erinnert heute nur noch der Name “Schlossgasse”, die auf Höhe des Rathauses von der Hauptstraße in westlicher Richtung durch die Wohnbebauung zur Kander führt. Nirgendwo findet man eine Abbildung oder eine genauere Beschreibung des Gebäudes, das früher die Burgvogtei beherbergte. Aus verschiedenen historischen Zusammenhängen ergibt sich die Entstehung der Burg im 12. Jahrhundert. Im Berain von Binzen aus dem Jahr 1405 wird sie als Burg erstmalig urkundlich erwähnt. Das Puzzle aus Rechnungen, Akten und sonstigen Quellen der damaligen Zeit erzählt uns, dass das zweistöckige Gebäude von geringem Umfang an der Kander lag, und neben dem Wohngebäude über einen Kuh- und Pferdestall und einen danebenstehenden festen Turm verfügte. Über den Wassergraben, der die ganze Anlage umgab, führte eine Fallbrücke zum Eingangstor und in den Hof. Von Burgenromantik kann wohl nicht die Rede sein, wie aus der Inventarliste hervorgeht, die anlässlich des Dienstantritts des neuen Burgvogts Hans Caspar von Jestetten 1591 angefertigt wurde:
- Die niedere, große Stube mit 1 alten, gefirnißten Gießfaß - Kensterlin -, 1 kleinen, schwarzen Tischlein und 1 Kämmerlein neben dieser Stube.
- 1 Kammer neben dieser Stube mit 2 Betten ohne Ziechen und 1 großen, alten Trog; 1 ganz neue Bettstatt mit Himmel.
- Kammer gegen die obere Stube mit altem Kutschbettlein (Wiege) und die Küche davor mit zinnernen Bechern und Tellern.
- Die mittlere Stube.
- Vor der großen Stube 12 alte Stühle für die Fröner und 1 alte, lange Bank.
- Im Turm 1 alter, schlechter Tisch, 9 Bittich, 2 alte Sechter, 1 Turmseil, 1 Armeisen samt einer Kette für die Gefangenen, 1 alte Bettlade im Kämmerli.
- Im Schloßkeller 2 alte Logel, 2 alte Weingelten, 1 Brennzeichen; im oberen Keller neue hölzerne Trechter und 5 alte, 4 Weinleitern.
Bei der Trotte im niedern und oberen Keller, auch im Zeughaus standen: 20 große Fuderfaß zwischen 30-10 Saum, 5 halbe Fuderfaß, 6 Vierlingfaß, 1 lange Leiter, 15 Weinzuber und Boggden.
In den Kornkästen: 3 Boggen, Imi (Fruchtmaß), Schufle und Wanne.
Gefahren drohten der Burg weniger von kriegerischen Auseinandersetzungen und Gewalttätigkeiten, als durch immer wieder gemeldete Brände. Die schweren Kriegshandlungen im 30-jährigen Krieg hatte die Burg bis dahin weitgehend unbeschadet überstanden, als durch Unachtsamkeit französischer Soldaten im Winter 1641 ein verheerender Brand ausbrach. Der Landhofmeister am bischöflichen Hof zu Pruntrut ( frz: Porrentruy, wohin der Basler Bischof nach der Reformation seinen Amtssitz verlegt hatte) meldete: “Das Schloß Bintzheim ist leider bis auf den Boden verbrenndt”. Von der gesamten Burganlage hatte nur der Schlossturm das Feuer überstanden. Die Burg selbst wurde nicht mehr aufgebaut und verfiel. In der Folgezeit wurden die Steine, Fensterstürze und andere brauchbare Materialien verkauft, ehe schließlich 1769 mit dem Verkauf der letzten Basler Güter an den Markgrafen von Baden auch der Turm abgerissen wurde. An Ort und Stelle kündet heute kein Stein mehr von den Resten der ehemaligen Burgvogtei. Es ist aber davon auszugehen, dass in manchen alten Gebäuden von Binzen noch Relikte jenes weitgehend unbekannten Bauwerkes vorhanden sind, an das heute nur noch die Namen “Schlossgasse” und - südlich davon - die "Burggärten” erinnern, die teilweise noch immer landwirtschaftlich genutzt werden. Bei der Beschäftigung mit der Geschichte des Binzener Wasserschlosses treffen wir überraschenderweise auf die Tatsache, dass Binzen im ausgehenden Mittelalter über einen zweiten Herrensitz verfügte. Im Jahre 1557 hatte Werner Wagner, Burgvogt zu Binzen, vom Basler Bischof ein Haus der Kaplanei “Unserer lieben Frauen” zu Binzen samt den umliegenden Gärten erworben. Dessen Schwiegersohn Martin Wyß (oder auch Weyß, später wohl Weiß) erwarb im Jahre 1599 für diese Wohn- und Hofstätte samt den zugehörigen Hofgütern vom Markgrafen einen Freibrief und macht ihn somit für sich und seine Nachkommen zum “Freihof”, der von allen Steuern und bürgerlichen Lasten befreit war. Der “Freihof” diente der Familie Wyß 100 Jahre lang als adliger Landsitz. Die Familie des Martin Wyß wurde aufgrund besonderer Verdienste des Sohnes Hans-Werner im Krieg gegen den Sultan Mohamed III. in Ungarn im Jahr 1601 von Kaiser Rudolf II. geadelt und nannte sich fortan “Wyß von Binzen”. Die Familie übernahm das Wappen des Schwiegervaters, der Familie Wagner. Das von Wagner noch erbaute, aber 1599 von den Wyß in größerem Stil umgebaute Haus oberhalb der Kirche, soll früher auch einmal “Schlösschen” geheißen haben, ist aber schon in älteren Quellen und selbst im heutigen Sprachgebrauch als das “große Haus” geläufig. Das nun über 400 Jahre alte Haus ist dreigeschossig, in nahezu quadratischer Form erbaut und hat an seiner Südseite einen angestoßenen, achteckigen Treppenturm mit einer technisch hervorragend ausgeführten Wendeltreppe aus Sandstein. Die über alle Stockwerke hinweg dicht besetzte Fensterfront mit teilweise schön profilierten Buntsandsteingewändern lässt die einstige herausragende Stellung dieses Gebäudes noch erkennen. Von der Wendeltreppe führen in jedes Stockwerk breite und hohe Gänge, die Mauern sind stark, teilweise bis zu einem Meter. Vor dem Haus befand sich früher ein Ziehbrunnen, dessen unterirdische Teile noch heute einer Besichtigung zugänglich sind. Durch die fortdauernde Realteilung zerfielen das Gut und die daran haftenden Rechte schon um 1800 in mehrere Familienanteile, so ging leider für Binzen die einmalige Chance verloren, dieses stattliche, repräsentative und für öffentliche Zwecke wohl ideale Haus zu nutzen. So sind im Laufe der Zeit wertvolle Inventarien, Gebäude- und Wohnungsteile unwiederbringlich verloren gegangen.
Laurentiuskirche
Älteste Zeugen frühen dauerhaften Bauens in der Gemeinde sind ganz gewiss Teile der Laurentiuskirche. Die im klassizistischen Stil (Weinbrennerschule) in den Jahren 1822 bis 1824 errichtete Kirche ist schon von weither sichtbar das Wahrzeichen Binzens. Das für ein Dorf dieser Größe gewaltige Bauwerk ersetzte die Vorgängerkirche, deren Anfänge sogar bis um das Jahr 800 zurückreichen. Von ihr sind noch die drei unteren Turmgeschosse erhalten geblieben. Die beiden ersten Stockwerke stammen vermutlich aus dem 12., das dritte aus dem 14. Jahrhundert. Das Hauptportal im Turmuntergeschoss bildete ehedem den Chor der alten Kirche. Das zweite Turmgeschoss birgt wertvolle bauliche Relikte aus älterer Zeit: An einem Rundbogen einer vermutlich ehemals auf den Dachboden des Mittelschiffs führenden Tür (heute hinter der Orgel verborgen), befindet sich ein langobardisches Flechtornament und im Türsturz eine vermutlich noch ältere, eingemauerte Doppelsäule mit hohen ottonischen Basen und mit einem bärtigen Kopf am Kapitell. In der Eingangshalle befinden sich zwei kunstvolle barocke Epitaphien aus Sandstein mit reich gestalteten Rahmen in Blatt- und Blütenwerk. Die Inschrifttafeln erinnern an Johann Eckenstein, Vogt zu Binzen, gestorben 1733, und an dessen Ehefrau Maria Eckenstein, gestorben 1734. Urkundlich ist die Kirche zum heiligen Laurentius in Binzen seit 807 (St. Gallener Urkunde) nachgewiesen, die Pfarrei seit 1275. Als Filialen werden seit dem 16. Jahrhundert Rümmingen und von 1493 bis 1642 auch Schallbach genannt.
Laurentiuskirche
Wenn auch die frühe Baugeschichte der „Basilica Sancti Laurentii“ im Dunkeln liegt, lässt doch diese erstmalige urkundliche Erwähnung im Jahr 807 – und damit nur 40 Jahre nach dem „Geburtseintrag“ der Gemeinde selbst – darauf schließen, dass bereits um diese Zeit ein massives, aus Stein errichtetes Gotteshaus vorhanden gewesen sein muss. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Christianisierung unserer Raumschaft überhaupt erst im siebten Jahrhundert begonnen hatte und Binzen damit wohl zu den ersten Stützpunkten der schottischen Mönche zählte, die von hier aus dem harten Geschäft der Bekehrung der Alemannen nachging. Auch die Einführung der Reformation erfolgte bei uns schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt, denn 1556 bereits hatte Markgraf Karl II. von Baden-Durlach entsprechend den Ausführungen des Augsburger Religionsfrieden (1955) für sich und seine Untertanen den übertritt zum protestantischen Glauben vollzogen. Was aus jener Zeit über die Kirche und ihren baulichen Zustand überliefert ist, ergibt ein trostloses Bild, das schließlich auch bei der bischöflichen und weltlichen Obrigkeit die Erkenntnis förderte, dass mit diesem Gotteshaus nicht mehr viel Staat, oder besser gesagt: Kirche zu machen sei. So war zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein Neubau erstmals in greifbare Nähe gerückt. Der gerade jetzt ausbrechende Dreißigjährige Krieg machte alle Hoffnungen zunichte. Die unvorstellbaren Verheerungen und Wirrnisse jeder Zeit ließen nun nicht mehr an die Errichtung einer neuen Kirche denken, zu sehr hatte besonders das Markgräflerland unter den Schrecken dieses Religions- und Bürgerkrieges geblutet. So mussten 1606 und 1718 weitere Renovationen an die Stelle des notwendigen Neubaus treten, ehe in einer gewaltigen, gemeinsamen Kraftanstrengung 1822 – 1824 „Nägel mit Köpfen“ gemacht werden konnten: Die alte Kirche – mit Ausnahme des Turms – wurde abgerissen und nach Plänen des badischen Baumeisters Friedrich Weinbrenner, der einer ganzen Bauepoche seinen Namen gab, wieder aufgebaut. Seit ihrer festlichen Einweihung am 23. Mai 1824 hat die Kirche bis zur vollständigen Innen- und Außenrenovation 1959 und 1967 die bewegte Zeit nahezu unverändert überdauert. Mit den zuletzt genannten Maßnahmen wurden die vorläufig letzten Seiten der Kirchenbaugeschichte zu Binzen beschrieben. Die schon vor dem Zweiten Weltkrieg erwünschte, dann aber erst 1959 realisierbare Innenrenovierung beinhaltete zugleich wichtige und raumgewinnende Umbauten. So wurde der hintere Teil des Kirchenschiffes abgetrennt, damit dort die Sakristei und ein Konfirmandenraum zur Linken, die Heizung und ein Raum für den Kirchendiener zur Rechten Platz finden konnten. Der Altarraum wurde vollständig umgewandelt, indem man ihn um einige Stufen erhöhte und die „kleine Kanzel“ einrichtete. Damit verringerte sich der frühere Abstand zwischen Pfarrer und Gemeinde während der Predigt erheblich. Der Taufstein befindet sich jetzt unter der südlichen Empore. Die bis zur Renovation noch regelmäßig benutzte hohe Kanzel an der westlichen Stirnseite dient jetzt in erster Linie zu deren Verschönerung und gelegentlich als Kulisse bei Weihnachtsspielen für den effektvollen Auftritt der „himmlischen Heerscharen“. Mit den aus der alten Kirche geretteten Grabtafelnder 1733 und 1734 verstorbenen Eheleuten Johann und Maria Eckenstein-Gräßlin, die an der Weinbrennerkirche 1824 zuerst an der Außenwand angebracht und deshalb starker Verwitterung ausgesetzt waren, besitzt die Binzener Kirche zwei wertvolle, schöne Kleinodien, die nun in einwandfrei restauriertem Zustand die Wände des Kirchenvorraumes zieren. Neben der Kirche steht der Gemeinde seit 1964 das anstelle der abgerissenen Pfarrscheune errichtete Gemeindehaus zur Verfügung, das 1985 umgebaut und erweitert wurde. Ein Jahr später wurde ein Nebenraum der Laurentiussakristei als kleiner Gottesdienstraum, zum Beispiel für Tauf- und Familiengottesdienste, umgewidmet. Seit dem 1. Januar 1989 sind aus der bisherigen „Kirchengemeinde Binzen“ zwei Gemeinden geworden: Der Evangelische Oberkirchenrat in Karlsruhe ist dem Wunsch aus Rümmingen gefolgt, und hat die „Kirchengemeinde Rümmingen“ zu diesem Datum in die Selbständigkeit entlassen. Auf einen eigenen Pfarrer allerdings, so war non der Kirchenbehörde zu hören – dürfen die Christen im Nachbarort in absehbarer Zeit nicht hoffen, die Gemeindegröße zum einen und die kirchlichen Finanzen zum anderen ließen dies nicht zu. Nach der letzten großen Innenrenovierung der Kirche in den 60er Jahren wurden in den vergangenen fünf Jahren wesentliche bauliche Veränderungen vorgenommen, die zum Teil noch nicht abgeschlossen sind. So wurde vor der Jahrtausendwende das gesamte Kirchendach neu gedeckt und bei dieser Gelegenheit auch die Fassade neu gestrichen. Im Jahr 2002 gelang es durch die großzügige Spende von Hermann F. Huegel die zwei 1949 angeschafften Stahlgussglocken in den Tönen a’ und h’ durch Bronzenglocken zu ersetzen. Zu der bereits vorhandenen bronzenen Fis’ – Glocke von 1787 kam auch noch eine neue vierte Glocke mit dem Ton d’’. Anlässlich des Einbaus einer neuen Heizung konnte in 2003 durch Mithilfe einiger Örtlicher Betriebe und viel Eigenleistung die Sakristei neu ausgebaut und eine Toilette eingebaut werden. Seit 2004 ist nun nach 40 Jahren wieder die Renovation des Innenraumes in Arbeit. Unter der Bauleitung des Staatlichen Hochbauamtes wird der Altarbereich wieder durch die ursprünglich eine Stufe vom Kirchenschiff abgetrennt. Altar und Ambo werden neu aus Holz gestaltet und beweglich gehalten. Die Kirchenbänke werden durch Stühle ersetzt und der gesamte Boden erhält neue Fließen. Die Emporen, wie auch die Treppenaufgänge werden restauriert, Elektrik und Beschallung wird heutigen Maßstäben angepasst. Die Farbgebung soll die Zeit Weinbrenners wieder neu beleben.
Bauliche Entwicklung mit Augenmaß
Bis zu dem stattlichen Dorf Binzen des Jahres 2010 war es ein langer und nicht immer einfacher Weg. Ein Blick auf die Einwohnerzahlen, die seit der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg verlässlich vorliegen, bietet einige recht interessante Erkenntnisse. Von damals etwa 300 - 350 Einwohnern im Jahr 1659 war über 444 Einwohner anno 1698, 536 anno 1757 und 640 anno 1810, im Jahr 1864 ein erster Höchststand mit 1.165 Einwohnern erreicht, der nach der Jahrhundertwende sogar wieder unter die 1.000-Marke absank und 1918, nach dem Ersten Weltkrieg, bei 980 lag. Nach einer geringfügigen Zunahme in den folgenden zwei Jahrzehnten, machten sich die Opfer des Zweiten Weltkrieges natürlich auch in der Bevölkerungsstatistik bemerkbar. Nach 1.055 Einwohnern bei Kriegsbeginn sank die Zahl 1946 auf 967, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich darunter noch eine stattliche Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen befand. Dann aber stand das Wachstumssignal auf "Grün": 1950: 1.149 Einwohner, 1955: 1.314, 1961: 1.379, 1966: 1.432 und 1970 bereits 1.728 Einwohner. Die ersten großen Bebauungspläne "Frohnberg", "Südliche Ortserweiterung" und "Frohnberg -Süd", die in den Jahren 1957 - 1968 aufgestellt und realisiert wurden, sorgten für den ersten Entwicklungsschub. Mit der “Krummen Länge”, “Renne”, “Schlattgarten” und “Im Winkel” wurde von 1973 bis 1979 weiteres Bauland erschlossen. Einen deutlichen Aufschwung nahm die Wohnbautätigkeit mit dem im nordöstlichen Gemeindeteil gelegenen Baugebiet “Unterwörth”, das sich mit dem kleineren Bereich “Im Mühlgarten” Ende der 80er Jahre rasch entwickelte und zwischenzeitlich bebaut ist. Im Gewann “Steinbrunnenmatten” entstanden durch Abrundung der bestehenden Bebauung zwischen dem Schulareal, dem Schallbacher Weg und der Koppengasse seit Mitte der Neunziger Jahre 10 Häuser. Damit sind auch Schule und Halle noch besser mit dem Dorf verflochten.
Baugebiet "Lochacker"
In den Jahren 2000 und 2001 stellte der Gemeinderat die Weichen für den Ankauf und die Erschließung des neuen Baugebietes “Lochacker“, vis-à-vis dem “Unterwörth“. Erstmals wurde dabei ein Konzept realisiert, bei dem die Gemeinde zuerst alle Grundstücke des neuen Plangebietes zu einem guten und fairen Preis aufkauft, um damit der Bodenspekulation wirksam Einhalt zu gebieten. Die Gemeinde hat dann die neu parzellierten Grundstücke zu günstigen Preisen nur an Privatpersonen und nicht an Bauträger verkauft. Der Bebauungsplan "Lochacker" wurde im Juni 2002 rechtskräftig, die Erschließung im Juli 2003 fertiggestellt. Anfang 2005 sind über 50 Häuser gebaut und bezogen und damit ein großes Projekt der Gemeinde erfolgreich abgeschlossen worden.
Baugebiet "Krumme Länge II"
Als Abrundung für das Wohngebiet "Lochacker" bot sich nach dessen Besiedlung des Areal "Krumme Länge" östlich von Gemeindehalle und Schulzentrum für 17 weitere Wohneinheiten an. Mit dieser Planung konnten mehrere Zielvorstellungen erreicht werden; die Schulwegsituation in der Schulstraße wurde verbessert, eine neue Fuß- und Radwegverbindung zum Baugebiet "Lochacker" geschaffen, die Verkehrssituation für Schulbusse verbessert, ein neuer Schulsportplatz angelegt sowie Flächen reserviert für die Erweiterung des Foyers in der Mehrzweckhalle und die Parksituation vor der Halle, wo zuletzt auch eine Batterie Fahrradständer installiert wurde.
Die Neubaugebiete bewirkten natürlich eine erhebliche Steigerung der Einwohnerzahl:
1975 waren 1.812 Personen in Binzen wohnhaft, 1980 waren mit 2.021 die 2.000er-Marke überschritten und 1985 waren es dann 2.202 Einwohner. 1988 wohnten 2.238 Personen in unserer Gemeinde, 1996 schon 2.499 und am 30.09.2000 waren es 2.571. Nach der letzten amtlichen Statistik vom 31.12.2009 sind es nun 2.886. Somit hat sich die Einwohnerzahl seit dem Kriegsende ziemlich genau verdreifacht. Mehr noch als der Vergleich der Einwohnerzahlen fällt die Entwicklung der
Anzahl der Wohnungen ins Auge: Zwischen den Volkszählungen 1970 und 1987 hat die Einwohnerzahl um 22 % zugenommen, gleichzeitig stieg jedoch die Zahl der Wohnungen um 80 % (!). Interessant ist auch, dass dabei das Verhältnis von Einwohner zu Wohnung von 3,7 im Jahr 1970 auf 2,5 im Jahr 1987 zurückgegangen ist. Standen zur Zeit der Währungsreform 1948 in Binzen noch 193 Häuser mit 300 Wohnungen so waren es knapp 40 Jahre später 550 Häuser mit 868 Wohnungen. 2001 standen in Binzen mehr als 610 Häuser mit über 1.000 Wohnungen. Durch die verschiedenen seither besiedelten Neubaugebiete, ergänzt durch zusätzliche Lückenbebauungen haben sich diese Zahlen weiterhin erhöht und werden auch künftig noch steigen - unter anderem durch die Senioren-Service-Wohnanlage auf dem Areal des vormaligen Gasthauses "Sonne", in der in der zweiten Jahreshälfte 2010 moderner Wohnraum für über 40 Mieter bezugsfertig wird. Binzen ist größer geworden. Vernunft und Augenmaß haben jedoch immer das Wachstum des Dorfes bestimmt und ihm deshalb bittere Erfahrungen und Wege in eine falsche Richtung erspart. Auch in Zukunft sind diese Maßstäbe kluger Kommunalpolitik so gefragt wie eh und je!
Entwicklung mit Augenmaß
Binzen ist seiner geographischen und landschaftlichen Lage wegen eine attraktive Gemeinde, die trotz ihrer teilweise sehr lebhaften Vergrößerung stets organisch und behutsam gewachsen ist. Nicht nur die Lage dürfte der Grund für die begehrte Wohnsitznahme hier sein, auch die Menschen, echte Markgräfler eben, tragen ein gutes Stück dazu bei, dass sich zugezogene Neubürger rasch zu Hause und angenommen fühlen. Eine wichtige Aufgabe kommt hier den Vereinen zu, die als starker integrativer Faktor zusammenführen und verbinden. Wichtig auch, zum Beispiel, die Neujahrsbegrüßung, die in Binzen mehr ist als ein Ritual, ein abzuhakender Tagesordnungspunkt im Jahresplan. Jung und Alt, Einheimische und Neubürger sind gleichermaßen eingeladen und nutzen gerne die Gelegenheit, nach dem Jahresbericht des Bürgermeisters bei einem Glas "Binzener" über die große und kleine Politik, über den letzten "Herbst", den zu erwartenden neuen Wein und was sonst nicht alles zu diskutieren, und dabei dem halben Dorf ein "Grüß Gott" und "e guet Neus" zuzurufen. Und wenn es ein solch gelungenes Werk wie die neugestaltete Hauptstraße mit einem prächtigen Volksfest einzuweihen gilt, ist natürlich ganz Binzen auf den Beinen, so geschehen bei dem spektakulären Ereignis am 24. September 2000! Bis zu dem stattlichen Dorf Binzen des Jahres 2010 war es ein langer und nicht immer einfacher Weg. Ein Blick auf die Einwohnerzahlen, die seit der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg verlässlich vorliegen, bietet einige recht interessante Erkenntnisse. Von damals etwa 300 bis 350 Einwohnern im Jahre 1659, war über 444 Einwohner anno 1698 (536/1.757, 640/1.810) im Jahre 1864 ein erster Höchststand mit 1.165 Einwohnern erreicht, der nach der Jahrhundertwende sogar wieder unter die 1.000-Marke absank und 1918, nach dem Ersten Weltkrieg also, bei 980 lag. Nach einer geringfügigen Zunahme in den folgenden zwei Jahrzehnten, machten sich die Opfer des Zweiten Weltkriegs natürlich auch in der Einwohnerzahl bemerkbar. Nach 1.055 Einwohnern bei Kriegsbeginn sank die Zahl 1946 auf 967, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich darunter noch eine stattliche Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen befand. Dann aber stand das Wachstumssignal auf "Grün": 1950: 1.149 Einwohner, 1955: 1.314, 1961: 1.379, 1966: 1.432 und 1970 bereits 1.728 Einwohner. Die ersten großen Bebauungspläne "Frohnberg", "Südliche Ortserweiterung" und "Frohnberg-Süd", die in den Jahren 1957 bis 1968 aufgestellt und realisiert wurden, sorgten für den ersten Entwicklungsschub. Mit der “Krummen Länge”, “Renne”, “Schlattgarten” und “Im Winkel” wurde von 1973 bis 1979 weiteres Bauland erschlossen. Einen deutlichen Aufschwung nahm die Wohnbautätigkeit mit dem im nordöstlichen Gemeindeteil gelegenen Baugebiet “Unterwörth”, das sich mit dem kleineren Bereich “Im Mühlgarten” Ende der 80er Jahre rasch entwickelte und zwischenzeitlich bebaut ist. Im Gewann “Steinbrunnenmatten” entstanden im Wege der Abrundung der bestehenden Bebauung zwischen dem Schulareal, dem Schallbacher Weg und der Koppengasse seit Mitte der Neunziger Jahre mehrere Häuser. Damit sind auch Schule und Halle noch besser mit dem Ort verflochten. In den Jahren 2000 und 2001 hat der Gemeinderat die Weichen gestellt für den Ankauf und die Erschließung des neuen Baugebietes “ Lochacker“, vis-à-vis dem “Unterwörth“. Erstmalig wurde dabei ein Konzept realisiert, bei dem die Gemeinde zuerst alle Grundstücke des neuen Plangebietes zu einem guten und fairen Preis aufkauft, um damit die Möglichkeit zu schaffen, Bauland für alle Einkommensschichten bereit zu stellen und der Bodenspekulation wirksam Einhalt zu gebieten. Bereits jetzt besteht eine sehr hohe Nachfrage nach diesen schön gelegenen Grundstücken. Das Angebot wurde gerne genutzt: Ende 2007 war der "Lochacker" mit rund 50 Neubauten komplett besiedelt. Die Bebauung der Grundstücke “Salpeterhütte“ am südlichen Ortseingang erfolgte parallel. Inzwischen ist auch das Abrundungsgebiet "Krumme Länge II" zwischen "Lochacker" und dem Hallen-Schul-Komplex bebaut und auf dem ehemaligen "Sonne"-Areal kann noch dieses Jahr eine Senioren-Service-Wohnanlage mit über 40 Mietwohnungen bezogen werden.
Diese Baugebiete haben natürlich eine erhebliche Steigerung der Einwohnerzahl bewirkt:
1975 waren 1.812 Personen in Binzen wohnhaft, 1980 war mit 2.021 die Zweitausendermarke überschritten und 1985 waren es dann 2.202 Einwohner. 1988 wohnten 2.236 Personen in unserer Gemeinde, 1996 schon 2.499 und nach der letzten amtlichen Statistik vom 31.12.2009 sind es nun knapp 2.900. Somit hat sich die Einwohnerzahl seit dem Krieg verdreifacht. Sie wird auch in naher Zukunft sicher noch wachsen.
Mehr noch als der Vergleich der Einwohnerzahlen fällt die Entwicklung der Anzahl der Wohnungen ins Auge:
Zwischen den Volkszählungen 1970 und 1987 hat die Einwohnerzahl um 22% zugenommen, gleichzeitig stieg jedoch die Zahl der Wohnungen um 80% (!). Interessant ist auch, dass dabei das Verhältnis von Einwohner zu Wohnung von 3,7 im Jahr 1970 auf 2,5 im Jahr 1987 zurückgegangen ist. Standen zur Zeit der Währungsreform (1948) in Binzen noch 193 Häuser mit 300 Wohnungen so waren es knapp 40 Jahre später 550 Häuser mit 868 Wohnungen. 2010 stehen in Binzen mehr als 700 Häuser mit rund 1.200 Wohnungen. Binzen ist größer geworden. Vernunft und Augenmaß haben jedoch immer das Wachstum des Dorfes bestimmt und ihm deshalb bittere Erfahrungen und Wege in eine falsche Richtung erspart. Auch in Zukunft sind diese Maßstäbe gescheiter Kommunalpolitik so gefragt wie eh und je!
Landwirtschaft in schwierigen Zeiten
Parallel zu dieser Entwicklung vollzog sich der Wandel von der bäuerlich strukturierten Gemeinde zur Wohngemeinde. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges gab es in Binzen noch 82 landwirtschaftliche Betriebe, im Krieg selbst erhöhte sich die Zahl durch die Notwendigkeit zu mehr Eigenversorgung und hatte nach dem Kriegsende fast den selben Stand wie zuvor erreicht. Dann ging die Landwirtschaft allerdings gewaltig zurück: 1966 waren noch 48 Betriebe vorhanden, davon immerhin 26 Vollerwerbsbetriebe. Gut drei Jahrzehnte später (2000) sind es noch 14 Voll- und 11 Nebenerwerbsbetriebe, die 214 Hektar Ackerland und knapp 55 Hektar Reben bewirtschaften. Interessante Zahlen erbringt ein Vergleich der Landwirtschaftszählungen 1990 und 2000: So hat sich der Rinderbestand in der Gemeinde von 371 auf 232 verringert (- 38%), die Zahl der Schweine ging sogar von 122 auf 11 zurück. Umgekehrt hat sich die Zahl der Pferde mit 26 gegenüber 12 im Jahr 1990 mehr als verdoppelt. Den Spitzenplatz nehmen zahlenmäßig mit 1.285 Exemplaren die Hühner ein, Schafe werden – zumindest statistisch – keine mehr gehalten.
Markdorf-Unglück
Fast 1200 Jahre Kirchengemeinde von Binzen bedeuten auch die Summe aller Ereignisse und Schicksale, die sich hier vollzogen haben. Frohe und glückliche Stunden, aber auch Zeiten der Not und Trauer ließen seit jeher die Gläubigen aus Binzen und Rümmingen zu Gebet und Fürbitte, zur Einkehr und zum Lobe Gottes zusammenkommen. Neben den beiden Weltkriegen mit ihren schmerzlichen Verlusten, die vor keinem Haus halt machten, bracht die Tragödie von Kluftern-Markdorf im Jahre 1939 die dunkelsten Tage über die Bevölkerung Binzens und in der nahen Umgebung. Für viele mag jener Kirchgang am zweiten Weihnachtstag das schwerste Stück Weg gewesen sein, das sie je zurücklegen mussten. Zu Beginn des Polenfeldzuges im September 1939 waren Frauen und Kinder aus dem Markgräflerland evakuiert worden, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Franzosen die Invasion im Osten ihrerseits mit einem Angriff auf die deutsche Westflanke beantworten würden. Nachdem diese Gefahr gebannt schien, traten am 22. Dezember die Frauen und Kinder von ihrem Evakuierungsort Riezlern im Kleinen Walsertal mit einem Sonderzug die Heimfahrt an, um nach Wochen der Trennung das Weihnachtsfest wieder zu Hause zu verbringen. Der mit glücklichen, sich auf das Wiedersehen freuenden Menschen vollbesetzte Zug stieß in dichtem Nebel und bei Nacht mit einem Güterzug zusammen, den man im Bahnhof Markdorf hätte aufhalten sollen. Die Bilanz des Unglücks war schrecklich, die Trauer im Dorf unermesslich. 42 geschmückte Särge standen am zweiten Weihnachtstag 1939 in der Laurentiuskirche, mit den sterblichen Überresten jener Männer, Frauen und Kinder, die sich so nahe der Heimat glaubten und sie doch nie mehr sehen sollten. Kirche und Vorplatz vermochten die Trauernden nicht zu fassen, die ihren Angehörigen, Bekannten und Mitbürgern das letzte Geleit zum nahegelegenen Friedhof gaben.
Brunnen - Schmuckstücke eines Dorfes
Mühlen
Schon lange dreht sich in unserem Dorf kein Mühlrad mehr und von den ehemals drei Binzener Mühlen ist uns noch eine erhalten, die durch ihre Qualität weit über die Grenzen der engeren Heimat hinaus bekannt ist: Die „Mittlere“ oder nach ihren Besitzern benannte „Dösserich-Mühle“. In früheren Jahrhunderten lag sie zwischen der am südwestlichen Dorfausgang angesiedelten „Bühlmühle“ oder „Niederen Mühle“ und der am oberen lauf der Kander gelegenen „Oberen Mühle“.
Die Bühlmühle
Die „Bühlmühle“ wurde als erste 1291 urkundlich erwähnt, ihre Geschichte und ihre Besitzer sind seit jener Zeit fast lückenlos nachweisbar. Im Zusammenhang mit ihrer Verwendung ist der Erwerb der Mühle durch Reinhard Wanner aus Haltingen von Bedeutung, der sie dem Straßburger Müller Christian May im Jahre 1872 abkaufte. Wanners Erben modernisierten den Betrieb und führten ihn bis 1940 fort, ehe zwei von den Franzosen abgefeuerte Artilleriegeschosse der Müllerei ein jähes Ende setzten und das endgültige Aus für die nach ihren letzten Besitzern so genannte „Wannermühle“ bedeutete. 1959 Wurde das gesamte Anwesen von dem damaligen Jungunternehmer Werner Glatt übernommen. Mit Sinn für die Erhaltung des historischen Gebäudes entstanden dort Produktionsstätten und Büros seines Betriebes, der sich mit seiner Firma für den pharmazeutischen Anlagenbau Weltgeltung verschaffen konnte.
Obere Mühle
Die ehedem stattliche „Obere Mühle“ ist 1983 nach einem langjährigen, oft mit tragischen Zügen versehenen Tauziehen um ihren Erhalt, für immer vollständig von der Landkarte verschwunden. Schon die Übernahme der Mühle durch die Familie Karl Müller zu Beginn dieses Jahrhunderts stand unter keinem guten Stern, denn schon drei Jahre nach dem Erwerb fiel der junge Mann 1916 in der Schlacht an der Somme. So musste seine Witwe den Betrieb mit fremden Kräften alleine weiterführen, ehe ihn Sohn Emil 1934 anlässlich seiner Heirat mit Anneliese Haury übernahm. Von 1935 bis 1945 war Emil Müller Binzener Bürgermeister und holte 1950 die Meisterprüfung im Müllerhandwerk nach. Die immer stärker werdende Konkurrenz führte 1960 zur Aufgabe der Kundenmühle, fortan wurde nur noch für den eigenen Bedarf gemahlen. Pläne zur Spezialisierung des landwirtschaftlichen Betriebs führten schließlich zum Verkauf des Mühlenareals und 1974 zur Aussiedlung. Die neue Eigentümerin, eine Immobiliengesellschaft, hatte zunächst vor, sieben- und neungeschossige (!) Wohnsilos zu errichten, die aber aufgrund mannigfacher Schwierigkeiten dem Dorf erspart geblieben sind. Spät, zu spät, trat auch das Denkmalamt auf den Plan, doch zwischenzeitlich waren die leerstehenden Häuser so heruntergekommen und mutwillig beschädigt worden, dass die Sanierung und Erhaltung nicht mehr mit vertretbarem Aufwand möglich und zumutbar war. 1983 rückten dann die Bagger an und setzten den endgültigen Schlusspunkt hinter mehr als ein halbes Jahrtausend Mühlengeschichte.
Mittlere Mühle
So bleibt noch die „Mittlere Mühle“, jetzt besser bekannt unter dem Namen ihrer Besitzer als „Dösserich Mühle“. Ihre Inhaber lassen sich bis ins Jahr 1603 feststellen, nicht zuletzt wegen umfangreicher Gerichts- und Gemeindeakten, die vom erbitterten Streit zwischen dem „Oberen“ und dem „Mittleren“ Müller berichten, der vor zwei Jahrhunderten seinen Höhepunkt erreicht hatte, als es um die Erweiterung der Ölmühle in der „Oberen Mühle“ ging. Dieser Zank war beigelegt, als der erste Müller aus dem Dösserich-Geschlecht 1879 die „Mittlere Mühle“ übernahm. Sein Enkel hieß ebenfalls Gustav und trat nach dem Zeiten Weltkrieg die Nachfolge seines Großvaters und seines Vaters an. Bereits 1947 ließ er das neue Mühlengebäude errichten und keine zehn Jahre später erfolgte mit der Automatisierung der Mühle und dem Einbau einer modernen Trockenanlage der entscheidende Fortschritt. In dieser Zeit waren die Sommer- und Erntemonate besonders regnerisch, so dass mehrere Mühlen in der Umgebung, die noch nicht über die moderne Trockentechnik verfügten, ihre Existenz verloren. Nach dem ersten Silo mit 400 Tonnen Inhalt folgte 1961 ein zweites mit 500 Tonnen Fassungsvermögen und 1965 war der Betrieb soweit ausgebaut, dass er bereits 14 Tonnen Mahlleistung pro Tag nachweisen konnte. In einer weiteren großen Investitionsanstrengung wurde ein drittes Silo mit 700 Tonnen Volumen gebaut und die Trockenanlage erweitert. Damit wurde ein Leistungsstand mit 18 Tonnen Mahlgut pro Tag und 4 Tonnen Trocknung pro Stunde erreicht. Für Anlieferer und Verbraucher brachten die neue Annahmeanlage und die Einrichtung der losen Mehlverladung über einen 3 Tonnentank entscheidende Erleichterung. Seit dem Tod von Gustav Dösserich im Jahre 1983 sorgte zunächst die Ehefrau Anna Dösserich zusammen mit Tochter Irmgard und Schwiegersohn Manfred Adelbrecht-Dösserich für die Weiterführung der Geschäfte, die im Zeichen großer, auch ausländischer Konkurrenz ständig neue Bemühungen erfordern. Durch die vollständige Automatisierung ist Müllermeister Adelbrecht-Dösserich heute in der Lage, den gesamten Betrieb allein zu bewirtschaften, während seine Frau Büro und Verkauf besorgt. Die vorläufig letzte Seite im Kapitel „Neuerungen“ haben Dösserichs 1988 geschrieben mit der Einrichtung des „Mühlilädelis“, einem Spezialgeschäft für alle Mehlsorten, Naturkostprogramme, Backzutaten, Vollkornnahrung, Bio-Körner und Soja-Produkten. Wenn nun auch in Binzen die Mühlräder still stehen und die schweren Mühlsteine längst nur mehr als Dekoration dienen, der lebhafte dahineilend „Mühlekanal“, der noch immer die Turbine antreibt, und die Geschäftigkeit im Mühlenhof kündigen weiter von der Unvergänglichkeit eines der ältesten Handwerke der Menschheit.
Binzen, die Kander und das Hochwasser
- „Verwüstungen in bis jetzt noch nie erlebtem Ausmaß“
- „Schäden in Millionenhöhe durch Hochwasserkatastrophe“
- „Alarm im Kandertal“
Mit diesen Überschriften bedachten das „Oberbadische Volksblatt“ und die „Badische Zeitung“ in ihren Ausgaben vom 24. und 26. Mai 1978 die Ereignisse jener Tage, die später mit dem Begriff „Jahrhunderthochwasser“ umschrieben werden sollten.
Und weiter war zu lesen:
„Das Unheil kam in den frühen Morgenstunden: Durch die starken, anhaltenden Regenfälle schwollen alle aus dem Blauengebiet entspringenden Bäche zu reißenden Wassern an und setzen weite Teile des Kandertals unter Wasser. Die Kander, ansonsten eher ein leise plätschernder Bach, schwoll sintflutartig an und trat in ganz kurzer Zeit über die Ufer. Häuser und Felder stehen seit gestern morgen unter Wasser. Die von den Bergen und Hügeln erunterschießenden Wassermassen unterhöhlten Straßen und Wege, und in Kandern und Binzen mussten Menschen und Tiere evakuiert werden. Das seit nahezu 25 Jahren schlimmste Unwetter mit katastrophalen Folgen sorgte dafür, dass Helfer aus allen Teilen der Bevölkerung, Feuerwehrleute, Polizei, angehörige des Technischen Hilfswerks und des Roten Kreuzes eine schwierige Aufgabe zu erfüllen hatten: noch mehr Schäden zu verhindern und gegen die starken Wassermasschen anzukämpfen.“ (Badische Zeitung vom 24. Mai 1978).
Kein Zweifel: der hier beschriebene reißende Fluss ist unsere Kander, die – nicht nur im Sommer – meist keinen gefährlichen Eindruck erweckt und schon gar nichts mit dieser Geißel gemein zu haben scheint, die im Laufe der Jahrhunderte und Jahrzehnte immer wieder die Bewohner an ihren Ufern in Angst und Schrecken versetzte. Aus dieser Betrachtungsweise rührt gewiss auch die sehr stark emotional geführt Debatte über Form und Umfang der Kandersanierung, die in Binzen zu einem Politikum, in der Bürgerschaft und sogar über die Gemeindegrenzen hinaus führte. Nach dem letzten großen Hochwasser 1978 (vorangegangen waren ähnliche Katastrophen 1948 und 1963) gewann das Thema „Hochwasserschutz“ im Gemeinderat höchste Priorität. Bereits wenige Tage nach dem Ereignis und noch unter dem Eindruck der Verwüstungen und Schäden beriet der Binzener Gemeinderat am 8. Juni 1978 über die erforderlichen Maßnahmen. Das Ingenieurbüro Dietsche (heute tiwa) in Lörrach wurde mit umfangreichen Untersuchungen und Lösungsvorschlägen beauftragt, der Sachverstand es Wasserwirtschaftsamtes war ebenso gefragt, wie die Meinung des Regierungspräsidiums in Freiburg.
In mehreren Sitzungen befasste sich das Gemeindeparlament mit den Vorschlägen und Ausführungsvarianten einer umfassenden und – nach menschlichem Ermessen – wirkungsvollen Vorbeugung gegen weitere Hochwasserkatastrophen. Die schließlich mit großer Mehrheit favorisierte Lösung versuchte fast Unmögliches zu vereinen:
Zum einen die wirksame bauliche Vorkehrung mit den entsprechenden massiven Befestigungen und Bauwerken, zum anderen aber die Rücksichtnahme auf Gesichtspunkte des Umweltschutzes, der Ökologie und der Ästhetik. Schon im Dezember 1979 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Zuerst wurde das Binzener Wehr abgerissen und eine Jamborschwelle gebaut. In der zweiten Ausbaustufe wurde das Eimeldinger Wehr abgesenkt und die Kander bis zur Schwelle ausgeräumt. Der dritte Abschnitt der Kandersanierung wurde zweigeteilt, indem der Ausbau der Schwelle bis zur Fischinger Straße vorangetrieben und danach die Fundamente und die neue Brücke für die Verbindung Koppengasse/Schlossgasse errichtet wurden. Im ersten Teil des vierten Bauabschnitts wurde das Teilstück von der „Niederen Brücke“ (Fischinger Straße) bis zur Koppengasse ausgebaut, danach im zweiten Teil die Strecke von der Koppengasse bis oberhalb der „Oberen Brücke“ (Mühlenstraße) an der Einmündung des Mühlekanals in die Kander. Der fünfte und letzte Abschnitt reichte bis zum Ende des Baugebiets „Im Unterwörth“.
Die aufwendigen Arbeiten haben ca. 6 Millionen Mark verschlungen, die für die Sicherheit der Bürger investiert wurden. Es bleibt festzuhalten, dass niemand diesen gewaltigen Eingriffen leichten Herzens zugestimmt hat. Es war vielmehr die Hoffnung damit verbunden den Menschen im Dorfkern zwischen Hauptstraße, Mühlenstraße, Koppengasse, Webergasse und Fischinger Straße und in den angrenzenden Gebieten die Angst um ihr Hab und Gut zu nehmen und sie vor dem Schicksal der Jahre 1948 und 1978 zu bewahren. Das letzte größere Hochwasser im Mai 1983 hat bereits die Wirksamkeit der bis dahin fertiggestellten Maßnahmen bewiesen. Die gesteigerte Abfließgeschwindigkeit, die Begradigung des Bachbettes und der vergrößerte Querschnitt haben dort Schlimmeres verhindert. Hoffentlich bleibt den Menschen an der Kander, hier wie andernorts, die Probe aufs Exempel in Zukunft erspart.
Kleine Schulgeschichte
Also lautet ein Beschluss, dass der Mensch was lernen muss!
Auch als Schulgemeinde hat Binzen eine lange Tradition, gehörte sie doch zu den ersten vier der insgesamt 40 Pfarrorte der damaligen Diözese Rötteln, die eine eigene Schule hatten. Die Liste der Schulmeister beginnt unmittelbar nach der Übernahme der Reformation für die Markgrafschaft im Jahre 1558 mit Jakobus Gutt aus Schliengen, danach können lückenlos alle Nachfolger bis heute aufgeführt werden. Schulreformen sind keine Erfindung der Neuzeit, im Gegenteil: Die wirklich durchgreifenden Weichenstellungen für die Unterrichtung und Bildung nicht nur einiger Privilegierter, sondern breiter Bevölkerungsschichten gehören zu den großen geschichtlichen Leistungen, mit denen das liberale Baden - wie auch auf anderen Gebieten - beispielhaft voranging. Vor allem Markgraf Karl-Friedrich (1739 - 1811) sorgte mit seinen Neuerungen, die auf eine gleiche Ausbildung für Jungen und Mädchen abzielten, für Aufregung; wurde es doch als unerhört empfunden, dass auch Jungen sich an Nähzeug und Spindel üben sollten. Interessant, dass im Bildungsplan für die Grundschule mehr als 200 Jahre später genau diese gemeinsame Unterrichtung im Fach "Bildende Kunst und Textiles Werken" wieder für Diskussionen sorgte. So war also die damalige Volksschule aus der eher zufälligen, oft jahreszeit- und witterungsabhängigen Erziehungsanstalt herausgewachsen und zu einer regelmäßig stattfindenden Einrichtung geworden. Mehr und mehr achtete die damals noch kirchliche Schulaufsicht auf die Einhaltung landesweiter Bestimmungen, wachte über die gleichmäßige Lehrerbesoldung und setzte mit Zuschüssen und Landeskollekten auch ärmere Gemeinden in Stand, der Schule die notwendigen Mittel zukommen zu lassen. In jene Zeit fällt beispielsweise auch die Abschaffung des berüchtigten "Wandertisches", mit dem die teilweise in erbärmlichen Verhältnissen lebenden Schulmeister in der "Währung Essen und Trinken" bezahlt wurden. Fast gleichzeitig wurde untersagt, dass die Kinder - wie bisher üblich - das zum Heizen der Schule notwendige Brennholz von zu Hause mitbringen mussten, um die Gemeinde vor "unnötigen Ausgaben" zu bewahren. Obwohl zu jener Zeit rechtlich noch kein Schulzwang bestand, achtete die Schulinspektion bei ihren in zweijährigen Abständen durchgeführten Visitationen genau auf die Einhaltung des Schulbesuchs und ging mit teilweise drastischen Maßnahmen gegen Nachlässigkeiten und Desinteresse uneinsichtiger Eltern vor. Der Auftritt dieser Inspektion muss für alle Beteiligten ein großes und nicht immer freudiges Ereignis gewesen sein, denn manches Lehrerschicksal hing mit dem Befund der dargebrachten Leistungen in den Fächern "Christentum, Sitten, Fleiß, Rechnen, Schreiben, Singen und Handarbeit" eng zusammen. 1864 wurde die kirchliche Schulaufsicht von der staatlichen abgelöst, das "Kreisschulamt" in Lörrach wurde geschaffen und musste unter anderem die Entflechtung von Schul- und Kirchendienst überwachen: Lehrer durften nur noch die Orgel spielen, alle anderen Verrichtungen in der Kirche, zu denen sie vorher vielfach genötigt waren, wurden untersagt. Die bedeutendste Reform des vorigen Jahrhunderts war zweifellos im Kulturbereich die 1876 für ganz Baden verbindlich eingeführte "Simultanschule", eine Errungenschaft, die in anderen Ländern noch fast 100 Jahre auf sich warten ließ. Die förmliche Festschreibung der allgemeinen Schulpflicht in der Weimarer Verfassung 1919 bestätigte eigentlich nur noch die spätestens seit 1876 tatsächlich vorhandene Situation. Auch durch den Zweiten Weltkrieg hindurch fand der Unterricht in der Binzener Schule weitgehend regelmäßig statt, nach dem Krieg begann aber auch in den Schulstuben "die Stunde Null". Die zuvor verwendeten Bücher waren verboten, einfachste Materialien wie Kreide, Schwämme, Zeichengeräte und dergleichen waren kaum aufzutreiben. So bestand der Unterricht jener Zeit in erster Linie aus dem, was der Lehrer als Impro-visationstalent daraus zu machen verstand und brauchte, gemessen an seinen Ergebnissen, den Vergleich mit späteren Jahren nicht zu fürchten. Trotz aller Beschwernisse und Nöte, die Aufbruchstimmung beflügelte auch Lehrer und Schüler, man freute sich gemeinsam über die wiedergewonnene Freiheit im Frieden und genoss geradezu, dass man wieder lehren und lernen durfte. Mit den Schulentwicklungsplänen der Sechziger- und Siebzigerjahre zogen die Schulverwaltungen der Länder die Konsequenzen aus den veränderten gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen. Binzen ging aus diesen Reformen als Sitz der Mittelpunktschule “Vorderes Kandertal” gestärkt hervor. Eine besondere Aufwertung erfuhr die Verbandsschule dadurch, dass das Kultusministerium sie im Jahre 1994 zur Standortschule für das freiwillige zehnte Schuljahr der sogenannten “Werkrealschule” bestimmte, die auch Schüler aus Weil-Haltingen und Efringen-Kirchen aufnimmt. Mit dem Unterricht für diese neue Möglichkeit, Hauptschüler zur vollwertigen “Mittleren Reife” zu führen, wurde 1993 begonnen und 1996 konnten erstmals 14 Absolventen der 10. Klasse bei der Schulentlassfeier ihre Zeugnisse der Mittleren Reife in Empfang nehmen. Ab Klasse 5 besuchen alle Haupt- und Werkrealschüler aus den Verbandsgemeinden Binzen, Eimeldingen, Fischingen, Rümmingen, Schallbach und Wittlingen die Schule in Binzen. Trotz der Zusammenfassung unter einem Rektorat werden die Grundschulen in den einzelnen Verbandsgemeinden weiter genutzt und bilden daher die gewünschte und pädagogisch sinnvolle “wohnortnahe” Grundschule, die aber durch den organisatorischen Zusammenschluss zugleich alle Vorteile einer großen Schule aufweist. Für Binzen selbst brachte das letzte Vierteljahrhundert eine Vielzahl schulbaulicher Aktivitäten. Bereits in den 50er Jahren wurden erste Überlegungen zur Verbesserung der Schulsituation angestellt, da die Verkehrsentwicklung auf der Hauptstraße (damals noch Bundesstraße 316) einen vernünftigen Unterricht fast unmöglich machte, und der Schulhof durch anderweitige Nutzung nahezu verlorengegangen war. So fiel 1962 im Gemeinderat die Entscheidung für den Grunderwerb in den “Steinbrunnenmatten” und bereits ein Jahr später wurde mit dem Bau begonnen. Am 1. April 1966 konnten Kinder und Lehrer festlich in den Neubau umziehen. Diesem Ereignis gedachte die Schule - 25 Jahre später - im Juni 1991 mit einem Schulfest, das als eines der schönsten und größten in die Binzener Schulgeschichte eingehen dürfte. Durch die gewachsene Bedeutung als zentrale Hauptschule und Zentrum der Grundschulen im Verwaltungsverband ergaben sich schon Ende der 70er Jahre die ersten Raumprobleme, die nach langwierigen Verhandlungen zwischen Schulträger und Oberschulamt 1980 mit einem Erweiterungsbau der Hauptschule fürs erste gelöst wurden. Sechs Jahre darauf wurde ein weiterer Anbau in Betrieb genommen, von dem man hoffte, dass er - zusammen mit der 1987 neu errichteten Grundschule - die Schulprobleme in Binzen auf Jahre hinaus erledigt haben dürfte. Die starke Ausweitung der Wohnbebauung und Attraktivität von Binzen als zentralem und doch ländlichem Wohnort zeigten jedoch bald, dass die Raumkapazitäten erschöpft waren, so dass sich der Gemeinderat 1991 schon wieder Gedanken machten musste, wie er der steigenden Kinderzahl gerecht werden konnte. Da mit dem Bebauungsplan “Steinbrunnenmatten” planungsrechtlich eine Erweiterungsfläche gesichert wurde, konnte 1995 eine zweite Grundschule in Betrieb genommen werden, in der jetzt - zusammen mit der Grundschule aus dem Jahre 1987 - sechs Grundschulklassen unterrichtet werden können. So ist in den “Steinbrunnenmatten” im Laufe der letzten vier Jahrzehnte ein stattliches Schul- und Sportzentrum entstanden, zu dem die drei Schulhäuser der Grund , Haupt- und Werkrealschule ebenso gehören wie die Mehrzweckhalle und die im Untergeschoss der Grundschule befindliche Gymnastikhalle. Hinzu kommt - ebenfalls in enger und bewährter Nachbarschaft der Grundschule - die gemeindeeigene “Kinderschule”, einer der beiden kommunalen Kindergärten. Die Räumlichkeiten werden nicht nur von der Schule und der Jugend, sondern von den Vereinen, der Volkshochschule und der Jugendmusikschule Weil am Rhein genutzt. Bei all diesen Entwicklungen hat sich Binzen als schulfreundliche Gemeinde erwiesen, die den Sinn dieser Investitionen in die Zukunft erkannt hat. So wurden alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Schule für ihre Arbeit den optimalen äußeren Rahmen vorfindet, in dem sie sich entfalten kann. Und das ganz gewiss über den Tag hinaus.
Binzen ein Teil des Markgräflerlandes
Die Ortsangabe „Binzen“ wird nicht selten mit dem Zusatz “im Markgräflerland“ versehen, was (heute) nicht nur eine geographische Zuordnung bedeutet, sondern auch ein Stück Lebensgefühl beinhaltet sowie einen erweiterten, vor allem kulturellen Heimatbegriff. Dabei ist dieses Gebilde zwischen Freiburg, Basel, Schliengen, Kandern und Schopfheim gar nicht einfach zu beschreiben. Seine frühe Geschichte liegt weitgehend im Dunkeln. Erst eine spätere “Geburtsurkunde“ kündet von der Entstehung dieses wunderbaren Landstrichs, der häufig als die “Toskana Deutschlands“ bezeichnet wird. Seine historischen Anfänge sind sicher an dem Herrschergeschlecht festzumachen, das im Mittelalter unsere Region geprägt hat: die Herren von Rötteln. Im Jahre1102 werden sie - zum ersten Mal - mit Dietrich von Rötteln urkundlich erwähnt, woher sie kommen bleibt unklar. Historiker vermuten ihren Ursprung im schweizerischen Thurgau. Neben ihrer weltlicher Macht spielen die Röttler auch im kirchlichen Bereich eine wichtige Rolle. In den Bistümern Basel und Konstanz verfügen sie über großen Einfluss, in Basel stellen sie sogar mehrere Bischöfe. Die Ortsangabe „Binzen“ wird nicht selten mit dem Zusatz “im Markgräflerland“ versehen, was (heute) nicht nur eine geographische Zuordnung bedeutet, sondern auch ein Stück Lebensgefühl beinhaltet sowie einen erweiterten, vor allem kulturellen Heimatbegriff. Dabei ist dieses Gebilde zwischen Freiburg, Basel, Schliengen, Kandern und Schopfheim gar nicht einfach zu beschreiben. Seine frühe Geschichte liegt weitgehend im Dunkeln. Erst eine spätere “Geburtsurkunde“ kündet von der Entstehung dieses wunderbaren Landstrichs, der häufig als die “Toskana Deutschlands“ bezeichnet wird. Seine historischen Anfänge sind sicher an dem Herrschergeschlecht festzumachen, das im Mittelalter unsere Region geprägt hat: die Herren von Rötteln. Im Jahre1102 werden sie - zum ersten Mal - mit Dietrich von Rötteln urkundlich erwähnt, woher sie kommen bleibt unklar. Historiker vermuten ihren Ursprung im schweizerischen Thurgau. Neben ihrer weltlicher Macht spielen die Röttler auch im kirchlichen Bereich eine wichtige Rolle. In den Bistümern Basel und Konstanz verfügen sie über großen Einfluss, in Basel stellen sie sogar mehrere Bischöfe.
Binzener Gastlichkeit gestern und heute
Schon zu Kaisers Zeiten standen stattliche Gasthöfe im Ort, und keiner dürfte mehr dazu gezwungen worden sein, wirten zu müssen, wie uns dies der Chronist aus früheren Jahrhunderten berichtet, als offenbar mit diesem Wirtschaftszweig noch keine Familie richtig ernährt werden konnte. Und doch musste sich eben immer wieder jemand im Dorf finden lassen, der die Gemeindewirtschaft, “die Stube”, mit oder auch ohne Pacht übernahm, da sich dort, vor der Einrichtung des Rathauses, die Gemeinderatssitzungen und Bürgerversammlungen abspielten, bei uns übrigens noch bis 1860. Schon in früheren Jahren konnte die junge Gastronomie von der günstigen Lage des Dorfes an der Kandertalstraße und der unmittelbaren Nähe zu Lörrach, Weil und vor allem Basel profitieren. Dies hat sich im Laufe der Zeit noch verstärkt, so dass sich wie in allen anderen Orten des Markgräflerlandes an den Wochenenden und Feiertagen das gewohnte Bild bietet: Volle Parkplätze vor den Gasthäusern mit Autos aus der näheren Umgebung, allen voran unsere Freunde jenseits des Rheins, deren “BS” und “BL”-Kontingent unangefochten die absolute Mehrheit behauptet. Sicher ist dafür nicht nur der gute Kurs des Schweizer Frankens verantwortlich, sondern in erster Linie eine ausgezeichnete Gastronomie, deren Angebot alle Bereiche zwischen der “gutbürgerlichen Küche” und der “Haute-Cuisine” umfasst und so für jeden Geschmack und Geldbeutel viel zu bieten vermag. Wie auch andernorts tauchen in Binzen die ersten bekannten Wirtshausbezeichnungen erst mit der Einführung des “Schildrechts” auf, jener landesherrlichen Einwilligung also, dass ein Haus fortan zum Führen eines bestimmten Namens wie beispielsweise “Ochsen”, berechtigt war. Jener “Ochsen” durfte sein Schild erstmals im Jahre 1700 aushängen, dort allerdings noch etwa an der Stelle des heutigen “Schwanen”. Erst 1766 zog man an den jetzigen Standort um. Obwohl, wie Amadée Membrez in seinem 1928 erschienen Buch “Die Burgvogtei Binzen unter den Fürstbischöfen von Basel”zu berichten weiß, die Binzener beim Röttler Amtmann zu jener Zeit nicht gut angesehen waren, da “die Leute liederlich seien und säßen beim Wirt, anstatt zu schaffen”, erhielt nach dem “Ochsen” einige Jahrzehnte später die “Sonne” als zweites Wirtshaus trotz der strengen obrigkeitlichen Vorbehalte ihr Schildrecht. Bei dem Antrag des Johann Eckenstein zur Errichtung einer weiteren Wirtschaft zum “Schwanen” spielten die erhofften Basler Gäste eine bedeutende Rolle. Nachdem sein erstes Gesuch im Jahre 1803 abschlägig beschieden worden war, konnte er sechs Jahre später mit neuen und besseren Argumenten und dem Hinweis auf eben diese Besucher aus der Nachbarschaft den gewünschten Erfolg verbuchen, und unter seinem Sohn gleichen Namens galt der “Schwanen” mit seiner herrlichen Gartenwirtschaft am “Lindenbrunnen” schräg über der Dorfstraße vor mehr als eineinhalb Jahrhunderten als “das beste Haus im Dorf”. Schön übrigens, dass der alte Brunnen im Rahmen der Hauptstraßen-neugestaltung im Jahre 2000 wieder an seinen angestammten Platz versetzt wurde und das Ortsbild nachhaltig verschönert. Auch der Müllermeister Gustav Dösserich hatte die Zeichen der Zeit erkannt und trug sich schon Mitte der Zwanziger Jahre mit dem Gedanken, seinem Betrieb eine Weinstube anzugliedern. Sein Vorstoß im Gemeinderat hatte Erfolg und so eröffnete bald die “Markgräfler Weinstube zur Mühle”. Umgeben von Wiesen, beschattet von mächtigen Bäumen und abseits jeden Verkehrslärms wurde die Mühle rasch zu einem begehrten Ausflugsziel vor allem auswärtiger Gäste. 1984 hat die Weiler Gastronomenfamilie Hansjörg Hechler das um einen Hotelanbau erweiterte Anwesen übernommen. Ein Großfeuer kurz vor Weihnachten 1989 legte den Restaurationsbetrieb für Monate lahm. Nach einem Provisiorium im “Gartenpavillon” eröffnete die “Mühle” in neuem Glanz im Frühsommer 1991. Hotel und Restaurant gehören zu den führenden Betrieben in der Region und sind seit Jahren abonniert auf die verschiedensten Auszeichnungen in den renommierten Fachzeitschriften. Prominenz aus der ganzen Welt erfreut sich an dem gediegenen Ambiente und der hervorragenden Küche. Neben den traditionellen Gaststätten “Mühle, Ochsen und Schwanen“ haben sich weitere gastronomische Betriebe in Binzen etabliert. Die Gaststätte des TUS am Sportplatz, die “Öli vo Binze“, der Autohof „Dreiländereck“ und das China-Restaurant „Lucky Moon“ sowie das Bistro „Efes“ runden das Angebot ab.
Kandertalbahn („s’ Chanderli“)
Schritttempo fahrende Kraftfahrzeuge, winkende Sparziergänger und Wanderer, und plötzlich kräftiger in die Pedale tretende Radfahrer auf und an der Strecke nach Kandern. Wem gilt diese Aufmerksamkeit, die im Sommerhalbjahr besonders an den Wochenenden zu registrieren ist? Einem – fast ist man geneigt es so zu nennen – Naturereignis, dem „Chanderli“ nämlich, das vor etlichen Jahren wieder aus dem Museumsschlaf aufgeweckt wurde und seither mit wachsender Beliebtheit auf seinen alten Gleisen durch das Tal dampft. Des einen Freud, des anderen Ärger, denn das pfeifende und stampfende Ungetüm macht sich zuweilen auch etwas unangenehm bemerkbar, wenn mittagsschlafhaltende Anwohner jäh aus ihrem Nickerchen erwachen, weil das Züglein bei den durchweg unbeschrankten Bahnübergängen im Dorf tüchtig pfeifen muss und hie und da auch der Übermut des Lokomotivführers zum Ausdruck kommt. Oder wenn die festlich gedeckte Kaffeetafel im Garten von einer schwarzen Rauchwolke eingenebelt und Mutters Kuchen von einer feinen Rußschicht überzogen wird. Sei’s drum, man wird sich wieder – zum zweiten Mal also – an diese anachro-nistische Fortbewegungsart per Schiene gewöhnen (müssen), wie es wohl die Binzener vor der Jahrhundertwende mit umgekehrten Vorzeichen erlebten. 1895 nämlich war die Schmalspurbahn in Betrieb gegangen und erschloss so nach dem Rheintal und dem Wiesental auch das Kandertal für die neue Eisenbahn. Klar, ein Bahnhof musste her mit allem drum und dran, aber diesem Binzener Begehren verschloss sich die „Deutsche Eisenbahn-Betriebsgesellschaft in Ber-lin“, nachdem mit dem Bau der „Bahnhof-Restauration“ im Jahre 1909 die – wir würden heute sagen – „Infrastruktur“ wesentlich verbessert worden war.
Das Drängen blieb dennoch nicht ungehört, denn drei Baracken-Bauten rundeten nun das „Binzener-Bahnhofs-Areal“ ab:
- Einmal der Geräteschuppen für die Streckenarbeiter, der zugleich als Lagerraum für die mit der Bahn an- und abgehenden Güter diente.
- Dann der Warteraum, bestehend aus einer mit Sitzbänken versehenen Blechkabine.
- Und schließlich der Fahrkartenschalter, der von der im Bedarfsfall aus der „Resti“ herbeieilenden Wirtin betreut wurde.
Nicht viel Glanz also, der dort hat verlorengehen können, und kaum jemand hat bei der vermeintlich letzten Fahrt der „Dampf-Loki“ 1966 das Gefühl eines unwiederbringlichen Verlustes verspürt. So dient der für Fremdenverkehrszwecke wieder aufgenommene Betrieb der Bahn durch begeisterte Anhänger jener verflossenen Bahngeschichte in erster Linie dem ideellen statt einem wirtschaftlichen Zweck. Die Rolle der Eisenbahn als öffentliches Verkehrsmittel haben die Omnibusse der Südwestdeutschen Eisenbahngesellschaft (SWEG) übernommen, die den Linien- und Schülerverkehr im Kandertal durchführen. Schon vor mehr als einem halben Jahrhundert verkehrten zwischen Lörrach und Kandern Omnibus-se der Eisenbahn, damals noch als richtige Lastenfahrzeuge, mit denen nicht nur das Gepäck der Reisenden, sondern auch die Markteinkäufe bis hin zu den „Saukisten“ mit lebendem Inhalt befördert wurden.