Impressionen aus Binzen

Mühlen

Schon lange dreht sich in unserem Dorf kein Mühlrad mehr und von den ehemals drei Binzener Mühlen ist uns noch eine erhalten, die durch ihre Qualität weit über die Grenzen der engeren Heimat hinaus bekannt ist: Die „Mittlere“ oder nach ihren Besitzern benannte „Dösserich-Mühle“. In früheren Jahrhunderten lag sie zwischen der am südwestlichen Dorfausgang angesiedelten „Bühlmühle“ oder „Niederen Mühle“ und der am oberen lauf der Kander gelegenen „Oberen Mühle“.

Die Bühlmühle

Die „Bühlmühle“ wurde als erste 1291 urkundlich erwähnt, ihre Geschichte und ihre Besitzer sind seit jener Zeit fast lückenlos nachweisbar. Im Zusammenhang mit ihrer Verwendung ist der Erwerb der Mühle durch Reinhard Wanner aus Haltingen von Bedeutung, der sie dem Straßburger Müller Christian May im Jahre 1872 abkaufte. Wanners Erben modernisierten den Betrieb und führten ihn bis 1940 fort, ehe zwei von den Franzosen abgefeuerte Artilleriegeschosse der Müllerei ein jähes Ende setzten und das endgültige Aus für die nach ihren letzten Besitzern so genannte „Wannermühle“ bedeutete. 

1959 Wurde das gesamte Anwesen von dem damaligen Jungunternehmer Werner Glatt übernommen. Mit Sinn für die Erhaltung des historischen Gebäudes entstanden dort Produktionsstätten und Büros seines Betriebes, der sich mit seiner Firma für den pharmazeutischen Anlagenbau Weltgeltung verschaffen konnte.

Obere Mühle

Die ehedem stattliche „Obere Mühle“ ist 1983 nach einem langjährigen, oft mit tragischen Zügen versehenen Tauziehen um ihren Erhalt, für immer vollständig von der Landkarte verschwunden. Schon die Übernahme der Mühle durch die Familie Karl Müller zu Beginn dieses Jahrhunderts stand unter keinem guten Stern, denn schon drei Jahre nach dem Erwerb fiel der junge Mann 1916 in der Schlacht an der Somme. So musste seine Witwe den Betrieb mit fremden Kräften alleine weiterführen, ehe ihn Sohn Emil 1934 anlässlich seiner Heirat mit Anneliese Haury übernahm. Von 1935 bis 1945 war Emil Müller Binzener Bürgermeister und holte 1950 die Meisterprüfung im Müllerhandwerk nach. Die immer stärker werdende Konkurrenz führte 1960 zur Aufgabe der Kundenmühle, fortan wurde nur noch für den eigenen Bedarf gemahlen. Pläne zur Spezialisierung des landwirtschaftlichen Betriebs führten schließlich zum Verkauf des Mühlenareals und 1974 zur Aussiedlung.

Die neue Eigentümerin, eine Immobiliengesellschaft, hatte zunächst vor, sieben- und neungeschossige (!) Wohnsilos zu errichten, die aber aufgrund mannigfacher Schwierigkeiten dem Dorf erspart geblieben sind. Spät, zu spät, trat auch das Denkmalamt auf den Plan, doch zwischenzeitlich waren die leerstehenden Häuser so heruntergekommen und mutwillig beschädigt worden, dass die Sanierung und Erhaltung nicht mehr mit vertretbarem Aufwand möglich und zumutbar war. 1983 rückten dann die Bagger an und setzten den endgültigen Schlusspunkt hinter mehr als ein halbes Jahrtausend Mühlengeschichte.

Mittlere Mühle

So bleibt noch die „Mittlere Mühle“, jetzt besser bekannt unter dem Namen ihrer Besitzer als „Dösserich Mühle“. Ihre Inhaber lassen sich bis ins Jahr 1603 feststellen, nicht zuletzt wegen umfangreicher Gerichts- und Gemeindeakten, die vom erbitterten Streit zwischen dem „Oberen“ und dem „Mittleren“ Müller berichten, der vor zwei Jahrhunderten seinen Höhepunkt erreicht hatte, als es um die Erweiterung der Ölmühle in der „Oberen Mühle“ ging.

Dieser Zank war beigelegt, als der erste Müller aus dem Dösserich-Geschlecht 1879 die „Mittlere Mühle“ übernahm. Sein Enkel hieß ebenfalls Gustav und trat nach dem Zeiten Weltkrieg die Nachfolge seines Großvaters und seines Vaters an. Bereits 1947 ließ er das neue Mühlengebäude errichten und keine zehn Jahre später erfolgte mit der Automatisierung der Mühle und dem Einbau einer modernen Trockenanlage der entscheidende Fortschritt. In dieser Zeit waren die Sommer- und Erntemonate besonders regnerisch, so dass mehrere Mühlen in der Umgebung, die noch nicht über die moderne Trockentechnik verfügten, ihre Existenz verloren. Nach dem ersten Silo mit 400 Tonnen Inhalt folgte 1961 ein zweites mit 500 Tonnen Fassungsvermögen und 1965 war der Betrieb soweit ausgebaut, dass er bereits 14 Tonnen Mahlleistung pro Tag nachweisen konnte. In einer weiteren großen Investitionsanstrengung wurde ein drittes Silo mit 700 Tonnen Volumen gebaut und die Trockenanlage erweitert. Damit wurde ein Leistungsstand mit 18 Tonnen Mahlgut pro Tag und 4 Tonnen Trocknung pro Stunde erreicht. Für Anlieferer und Verbraucher brachten die neue Annahmeanlage und die Einrichtung der losen Mehlverladung über einen 3 Tonnentank entscheidende Erleichterung.

Seit dem Tod von Gustav Dösserich im Jahre 1983 sorgte zunächst die Ehefrau Anna Dösserich zusammen mit Tochter Irmgard und Schwiegersohn Manfred Adelbrecht-Dösserich für die Weiterführung der Geschäfte, die im Zeichen großer, auch ausländischer Konkurrenz ständig neue Bemühungen erfordern. Durch die vollständige Automatisierung ist Müllermeister Adelbrecht-Dösserich heute in der Lage, den gesamten Betrieb allein zu bewirtschaften, während seine Frau Büro und Verkauf besorgt. Die vorläufig letzte Seite im Kapitel „Neuerungen“ haben Dösserichs 1988 geschrieben mit der Einrichtung des „Mühlilädelis“, einem Spezialgeschäft für alle Mehlsorten, Naturkostprogramme, Backzutaten, Vollkornnahrung, Bio-Körner und Soja-Produkten.

Wenn nun auch in Binzen die Mühlräder still stehen und die schweren Mühlsteine längst nur mehr als Dekoration dienen, der lebhafte dahineilend „Mühlekanal“, der noch immer die Turbine antreibt, und die Geschäftigkeit im Mühlenhof kündigen weiter von der Unvergänglichkeit eines der ältesten Handwerke der Menschheit.

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