Rathaus

Geschichte(n) rund ums Rathaus

Können Sie sich vorstellen, dass es Zeiten gab, in denen eine Gemeinde noch ohne Rathaus und weitgehend ohne Verwaltung auskommen konnte? Ganz einfach: Der Bürgermeister, früher Vogt genannt, bewahrte die Akten bei sich zu Hause auf, wie es auch der Rechner und der Ratschreiber mit ihren Utensilien taten. Diese wahrlich "dezentralisierte" Verwaltung bestand in Binzen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, ehe der deutlich angewachsene Schriftverkehr und die Straffung der öffentlichen Dienste, besonders seit der Gründung des Kaiserreiches, nach einer angemessenen Ortsverwaltung verlangten.

Rathaus
Turnstunden vor der ehemaligen Schule, heute Rathaus

Mit dem Erwerb des Hauses der Erbengemeinschaft Sulzer am Dorfplatz, heute Schuhhaus Nestle, wollte man 1870 zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Schulhaus und Rathaus sollten dort gemeinsam untergebracht werden. Aufgrund der steigenden Schülerzahl und des Wohnungsbedarfs für die Lehrer musste das Rathaus jedoch nach kurzer Zeit in das bisherige Schulhaus (heute Kirchstraße 2) umziehen, wo man sich mehr schlecht als recht, und keineswegs den Aufgaben entsprechend, einrichtete.

Die große Stunde für die Gemeinde kam mit dem Erwerb des Metzelschen Anwesens im Jahre 1907. Mit großer Weitsicht und beachtlichem Mut unternahm die Bürgerschaft das Wagnis, an Stelle dieses Hauses Rathaus und Schule in solider, zweckmäßiger, aber auch repräsentativer Form zu errichten.

Metzel´sches Anwesen
Das Metzel´sche Anweses vor dem Abriss, 1907

Zuerst war das Rathaus in dem Gebäude untergebracht, das jetzt die Post und das Blumenstübli beherbergt, darüber befindet sich noch immer der Rathaussaal, der 1984 und 1991 total renoviert und mit geschmackvoller Ausstattung zur guten Stube der Gemeinde geworden ist. Er dient u.a. dem Gesang- und Musikverein sowie dem Frauenchor als Proberaum und gibt den richtigen Rahmen für kleinere Feiern und festliche Anlässe.

Mit der Gründung des Verwaltungsverbandes "Vorderes Kandertal" wurde Binzen 1971 nach der kirchlichen und schulischen nun auch zur politischen Mittelpunktgemeinde. Seit 1968 das "Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden" in Kraft getreten war, wurden im Kandertal, aber auch in Weil und Lörrach, eine Reihe von Modellen einer künftigen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene diskutiert. Die Gemeinden Binzen, Eimeldingen, Fischingen, Rümmingen, Schallbach und Wittlingen beschlossen 1971 den freiwilligen Zusammenschluss, um die Selbständigkeit weitgehend zu erhalten. Dies war zum großen Teil ein persönlicher Erfolg für Binzens damaligen Bürgermeister Fritz Schweigler, ohne dessen Einsatz und Zähigkeit der Verband in dieser Form nicht zustande gekommen und damit die Selbständigkeit der Gemeinden mit großer Wahrscheinlichkeit beendet gewesen wäre.

Am 21. Oktober desselben Jahres fand in Anwesenheit des damaligen Landrats Wolfgang Bechthold die Gründungsversammlung und wenig später die erste Verbandsversammlung statt. Zum Vorsitzenden wurde auf Vorschlag des Binzener Bürgermeisters Fritz Schweigler der Eimeldinger Amtskollege Robert Götzmann gewählt, Fritz Schweigler wurde Stellvertreter und behielt dieses Amt bis zu seiner Zurruhesetzung 1989. Seit 1994 ist sein Nachfolger, Bürgermeister Ulrich May, Vorsitzender im Verband.

Der langjährige Binzener Ratschreiber Hans Wunderlin wurde als Leiter des Hauptamtes zugleich Geschäftsführer des Verbandes, den er in kurzer Zeit organisatorisch und personell effektiv auf seine neuen Aufgaben ausrichtete, so dass die "Badische Zeitung" bereits am 21.06.1972 melden konnte: "Verwaltungsverband Vorderes Kandertal" funktioniert - Abteilungen ideal organisiert und untergebracht.

1973 kam es für kurze Zeit noch einmal zu erheblichen Unruhen in den sechs Verbandsgemeinden, als verschiedene Politikeraussagen vor Ort und im Landtag die Gefahr einer Auflösung der Gemeindeverwaltungsverbände erkennen ließen. Eine breite überparteiliche Protestbewegung formierte sich gegen dieses Vorhaben, das als glatter Wortbruch gegenüber früher gemachten Zusagen gewertet wurde. Ob aufgrund der Proteste oder besserer Einsicht mag dahingestellt bleiben, 1974 zog das Innenministerium mit der "Bekanntmachung über die Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften nach Abschluss der Verwaltungsreform" einen Schlussstrich unter ein teilweise wenig rühmliches Kapitel: Der Verband erhielt zum 1. Januar 1975 seine Bestandsgarantie, die Gemeinden hatten ihre Selbstständigkeit bewahren und so auch ihren Bürgern ein Stück Identität erhalten können.

Binzen selbst wurde im Jahre 1996 im “Regionalplan 2000“ zum Kleinzentrum aufgewertet, eine Entscheidung mit erheblicher strukturpolitischer Bedeutung.

Als Sitz der Verbandsverwaltung des Vorderen Kandertals hat Binzen besonderen Anteil an der Weiterentwicklung dieser fruchtbaren Gemeinschaft. Mit einem teilweisen Umbau der vom Gemeindeverwaltungsverband genutzten oberen Räume des Binzener Rathauses und einer parallel laufenden vollständigen Renovierung wurden 1995 alle Voraussetzungen für ein effizientes Arbeiten in freundlichen, hellen und die Arbeitsatmosphäre fördernden Räumen geschaffen.

Rathaushof
Blick in den Rathaushof

Doch damit war der Blick auf das gesamte Rathausareal erst recht geschärft worden. Mit dem Auszug der Feuerwehr in die Rümminger Straße war der Weg frei geworden, einen schon seit längerem bestehenden Plan zu realisieren. In den Jahren 1998 bis 2001 wurden gleich mehrere bedeutsame Verbesserungen der dörflichen Infrastruktur vorgenommen. In den bisherigen Feuerwehrräumen entstand mit der “Rathausstube“ eine Stätte der Begegnung, die den Senioren, den Vereinen und der Jugend zur Verfügung steht und durch die Wiederherstellung des Gewölbekellers wurde ein Schmuckstück geschaffen, das für kulturelle Anlässe ebenso geeignet ist wie für private Veranstaltungen. Durch den parallel erfolgten Einzug eines Blumengeschäftes mit Postagentur und einer Goldschmiedin kam neues Leben in das Ortszentrum.

Den letzten Schliff erhält das in der Presse so getaufte “Rathausprojekt“ mit einer bürgerfreundlichen Umstrukturierung der Verwaltungsbereiche.

Das Grundbuchamt zieht in die Räume der ehemaligen Post und hat nun endlich die Arbeitsbedingungen, die dieser wichtigen Verbandseinrichtung angemessen sind. Dadurch kann das publikumsintensive Einwohnermeldeamt ebenerdig untergebracht werden und auch die Kasse rückt einen Stock tiefer.

Mit den neuen Sprossenfenstern ist der historische Zustand des Gebäudes, das wie kein anderes das Ortsbild prägt, Ende 2001 wieder hergestellt. Damit ist ein bedeutendes Kapitel Dorfentwicklung optisch und funktionell beispielhaft abgeschlossen.

  • Gemeindeverwaltung Binzen
  • Am Rathausplatz 6
  • 79589 Binzen
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